Schildübergabe an Berliner Oberstufenzentrum
20. Juni 2019Interview mit Regina Zimmermann, Schulleiterin des Käthe-Kollwitz-Gymnasium, Halberstadt in Sachsen-Anhalt
28. Juni 2019Schildübergabe an Berliner Oberstufenzentrum
20. Juni 2019Interview mit Regina Zimmermann, Schulleiterin des Käthe-Kollwitz-Gymnasium, Halberstadt in Sachsen-Anhalt
28. Juni 2019Interview mit Elke Grammerstorf,
Schulleiterin der BEST-Sabel-Grundschule Kaulsdorf, Berlin
Sehr geehrte Frau Grammerstorf, stellen Sie doch einmal Ihre Schule kurz vor.
Die BEST-Sabel-Grundschule Kaulsdorf ist eine Grundschule im gebundenen Ganztagsbetrieb. Das bedeutet, dass es eine Unterrichtsverpflichtung an vier Tagen unter der Woche von 8-16 Uhr gibt, ein weiterer Tag ist ein wenig kürzer. Mittlerweile ist unsere Schule 3-zügig, insgesamt besuchen uns 350 Schülern.
Unsere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Werken, Technik, Informatik. Wir zählen uns zu den leistungsorientierten Schulen, wir bewerten mit Noten bereits ab dem zweiten Halbjahr der Klasse 1 und geben auch Kopfnoten, also Verhaltensnoten. Bei unserem gebundenen Ganztag ist es wichtig, dass der Hort, also die ergänzende Betreuung, eng mit dem Unterricht verzahnt ist. Da die Kinder ständig zwischen Freizeit und Unterricht wechseln, müssen die Lehrer und Erzieher sehr eng miteinander arbeiten, sonst funktioniert dieses System des gebundenen Ganztags nicht.
Worauf sind Sie bei Ihrer Schule besonders stolz?
Ich bin besonders stolz auf meine Atmosphäre hier in der Schule. Ich habe schon seit vielen Jahren ein sehr stabiles Kollegium ohne Fluktuation. Auch die Schülerzahlen sind schon seit vielen Jahren stabil.
Viele meiner Kollegen sind von einer staatlichen Schule zu uns gewechselt und genießen die Atmosphäre bei uns. Das trifft übrigens auch auf mich selbst zu, ich war früher ebenfalls an einer staatlichen Schule und bin vor 18 Jahren ins Unternehmen gewechselt. Diesen Wechsel habe ich nicht einen Tag bereut.
Ein Beispiel aus dem Schulalltag: Jeden Morgen um 7.30 Uhr lasse ich die Schüler in das Haupthaus und begrüße sie, die Schüler/innen grüßen freundlich zurück. Sie müssen ihre Kopfbedeckung absetzen, wenn sie das Schulhaus betreten. Es wird also schon zu Beginn des Tages auf Regeln und Werte geachtet, was nicht mehr selbstverständlich ist. Das fängt bei den kleinen Dingen an, z.B. sich für Dinge zu bedanken, sich zu entschuldigen und einfach „Guten Morgen“ und „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Wir pflegen einen sehr netten Umgang miteinander. Die Kollegen bestätigen mir immer wieder, dass sie hier ein sehr angenehmes Arbeitsumfeld vorfinden.
Ich bin davon überzeugt, dass man dies spürt, wenn man unsere Schule betritt. Das heißt nicht, dass es bei uns nicht auch mal laut ist, denn wir haben 350 Kinder. Wertevermittlung gehört zu unseren Schwerpunkten.
Kommen wir zu einem heiklen Thema: Mobbing. Besteht an Ihrer Schule ein Konsens im Kollegium, ab wann Lehrerinnen und Lehrer eingreifen müssen? Wenn ja, wie haben Sie diese „Eingriffsschwelle“ ausformuliert?
Notfälle muss man auf jeden Fall ernst nehmen. Kommt ein Kind oder Elternteil auf uns zu und berichtet von Vorfällen, die in diese Richtung gehen, dann müssen wir agieren.
Meine Kollegen wissen, dass sie immer ganz genau hinschauen müssen, wenn ein Kind sich unwohl fühlt und Verhaltensweisen zeigt, die ungewöhnlich sind. Sie müssen hinschauen, bevor Probleme entstehen. Jeder Lehrer ist hier in seiner Empathie gefragt. Wenn Kinder öfter krank sind oder traurig wirken, dann müssen sie angesprochen werden, ob es Probleme gibt und ob man helfen kann. Der Klassenlehrer hat im Sinne des Classroom-Managements immer die Pflicht, zu schauen, wie es seinen „Schützlingen“ geht.
Was würde genau passieren, wenn ein Mobbingfall wahrgenommen oder gemeldet wird, wie ist bei Ihnen der Ablauf?
Wir haben ein Krisenteam an unserer Schule. Wenn wir einen Krisenfall feststellen, dann setzt sich das Krisenteam sofort zusammen und berät, wie wir weiter vorgehen.
Bis jetzt hat dies gut funktioniert. Wir haben hier ein sehr gemischtes Krisenteam, das aus dem Sicherheitsbeauftragten, der koordinierenden Erzieherin, der Schulsekretärin, dem Hausmeister, zwei Elternvertretern und mir als Leiterin besteht.
Den Begriff Mobbing haben wir nicht klar definiert. Wir schauen uns immer die jeweilige Situation an.
Man muss bei jedem Fall sehr genau hinschauen, ob es um eine Auseinandersetzung geht oder ob es sich tatsächlich um Mobbing handelt.
Einen Hinweis noch zu WhatsApp. Wir haben uns gegen diese Art der Kommunikation entschieden. Kommunikation findet bei uns persönlich, per Mail oder telefonisch statt.
An wen können sich Schüler oder Beobachter bei Ihnen wenden, wenn Schüler unter Mobbingattacken leiden?
Die Schüler wenden sich an den Klassenlehrer, der wiederum an mich als Schulleiterin herantritt. Ich entscheide, ob es erforderlich ist, das Krisenteam einzuberufen.
Es gibt sehr unterschiedliche Konzepte, z.B. den „No-Blame-Approach“, der den Ansatz verfolgt, dass es keine Schuldzuweisungen gibt, dass keinerlei Konsequenzen erfolgen und keinerlei Sanktionen verhängt werden. Im Krisenteam sehen wir das differenziert. Es gibt Kinder, die Sanktionen und Konsequenzen brauchen. Deshalb muss man von Fall zu Fall entscheiden, wie man vorgeht. Da das Konzept des „No-Blame-Approach“ grundsätzlich gar keine Sanktionen vorsieht und wir das differenziert sehen, favorisieren wir eine Mischung aus diesem Konzept und gebotenen Konsequenzen.
Bei Problemen können sich Kinder auch jederzeit an die Klassensprecher wenden. Die Klassensprecher treffen sich mit unserem Konrektor regelmäßig in kleiner Runde, was es für Sorgen oder Befindlichkeiten gibt. Er fordert sie auch immer auf, dass sie sich uns anvertrauen, wenn es Probleme gibt.
Eine Vertrauensperson muss nicht unbedingt gewählt sein. Kinder sollten wissen, wem sie sich jederzeit anvertrauen können.
Grundsätzlich muss klar sein, welche Kommunikationswege es in der Schule gibt. Die Eltern müssen wissen, zu wem das Kind oder die Eltern gehen können und sollten. Man sollte sich nicht immer sofort an die Schulleitung wenden, insbesondere nicht bei Kleinigkeiten, sondern sich erst einmal dem Klassenlehrer oder dem Klassenerzieher anvertrauen. Diese Kommunikationswege sind im ganzen Schulhaus sichtbar präsent.
Welche Empfehlung für das Eingreifen bei Mobbingfällen würden Sie anderen Schulen geben?
Jede Schule sollte ein Krisenteam bilden.
Auch Schulen ohne bisher aufgetretene Mobbing -Vorkommnisse sollten vorbereitet sein. Es gibt eine Menge möglicher Krisen, Mobbing ist nur ein Teil davon.
Ein Krisenteam hilft in kurzer Zeit gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Was halten Sie für die besten Maßnahmen gegen Mobbing? Welche Aktivitäten gegen Mobbing, präventiv oder eingreifend, gab es bei Ihnen in den letzten 12 Monaten?
Die beste Maßnahme gegen Mobbing überhaupt ist das Hinschauen, wirklich zu schauen, wie es den Kindern geht, was einem auffällt, wie sich ein Kind vielleicht verändert. So viel Empathie und Feingefühl muss ein Lehrer haben. Hinschauen halte ich für die wichtigste präventive Maßnahme.
Zudem haben wir regelmäßig auch unsere Kontaktstunden in den einzelnen Klassen mit dem Klassenlehrer- bzw.- erzieher. Bei den Kontaktstunden muss immer eine offene Atmosphäre herrschen. Solche Themen sollten aber auch beim Klassenrat besprochen werden. Zudem kommt auch regelmäßig die Berliner Polizei zu uns und führt hier Präventionsmaßnahmen durch, sowohl für die Jüngeren als auch für die Älteren. Wir haben Elternabende zu diesem Thema durchgeführt und wir Lehrer sprechen über solche Themen. Wir sehen uns einmal wöchentlich in großer Runde. Kollegen fragen nach, ob anderen auch Probleme in bestimmten Klassen aufgefallen sind, beratschlagen darüber und besprechen, ob sie Fälle ins Krisenteam tragen wollen, oder ob sie das anderweitig klären können. Auch die Fortbildung von Kollegen ist eine gute Präventionsmaßnahme.
Von wem und in welcher Weise würden Sie sich mehr Unterstützung für Ihre Arbeit gegen Mobbing wünschen?
In meinen Augen wird das Wort Mobbing zu schnell und voreilig verwendet ohne genau zu hinterfragen.
Das Thema Mobbing ist in den Medien präsent, Betroffene gehen aktiv in die Schulen, um über das Thema aufzuklären. Das finde ich bei größeren Kindern auch sehr wichtig. Immer und immer wieder das Wort Mobbing auf die Tagesordnung zu setzen, könnte die Folge haben, dass es erst recht zum Thema und zum Problem wird. Ich verwende nicht immer das Wort Mobbing. Ich sage z.B. bei Elternabenden natürlich, dass die Eltern genau hinschauen sollen, sich genau anschauen sollen, wie es ihrem Kind geht und dass sie zu uns kommen sollen, wenn etwas nicht stimmt. Aber ich sage nicht: „Kommen Sie zu uns, wenn Ihr Kind gemobbt wird.“ Wenn es aber ein Mobbingfall wäre, dann kümmern wir uns natürlich darum. Man muss die Einzelfälle differenziert betrachten und bei der Bewertung eines Falls immer vorsichtig sein. Aber natürlich ist es kein Thema, was ich wegdiskutiere, sonst würde ich es nicht so ernst nehmen.
Vielleicht muss man die Begrifflichkeit, die Bedeutung des Wortes, auch noch mal präsenter machen, besser erklären, damit der Begriff nicht zu schnell verwendet wird.
Von den Eltern wünsche ich mir vielleicht auch ein bisschen mehr Verständnis an der einen oder anderen Stelle. Bei Eltern gibt es ganz viele Unsicherheiten, deshalb ist es wichtig, dass man die Eltern mit einbezieht. Bei den Eltern, die nicht so aktiv sind, kann man nur mit Nachdruck arbeiten und sie auf die Möglichkeit der Partizipation hinweisen.
Personelle Ressourcen auf Seiten der Lehrer benötige ich nicht, aber Fortbildungen für die Kollegen sind wichtig und geben dem Kollegium mehr Sicherheit.
Außerdem sollte man den Raum für unterschiedliche Ansätze haben.
Generell sollte an den Schulen auch mehr für die Atmosphäre getan werden.
Gemeinsames Verständnis von Pädagogik und einheitliche Vorgehensweisen geben Sicherheit für jeden Einzelnen, stärken das Team und schaffen ein gutes Klima.
Eltern, die sich für unsere Schule entscheiden, sind stark an der Bildung und Erziehung ihrer Kinder interessiert. Atmosphäre ist auch eine Frage der Führung. Die Art der Führung hat sich stark verändert, „Ich bin Schulleiter, ich entscheide“ funktioniert heute nicht mehr. Gute Führung bedeutet, dass man die Kollegen wirklich mitnimmt und sie auch für die Dinge wertschätzt, die sie außergewöhnlich gut machen und für die Ideen, die sie einbringen. Bei uns hilft es, dass wir ein sehr gemischtes Kollegium haben: sehr junge Leute und auch sehr erfahrene Männer und Frauen, 1/3 männliche Kollegen. 2/3 weibliche Kollegen. Diese Durchmischung des Kollegiums ist sehr gesund und hilft bei der guten Atmosphäre. Aber dahinter steckt eben auch viel Führungsarbeit. Mein Konrektor und ich müssen kontinuierlich daran arbeiten, dass die Atmosphäre so gut bleibt, das ist eigentlich unsere größte Hauptaufgabe: das Personal zu pflegen und es zusammen zu halten.
Würden Sie sich einen offiziellen Anti-Mobbing-Tag für Ihr Bundesland wünschen?
Für die Grundschulen nicht, für die weiterführenden Schulen aber unbedingt.
Mobbing fängt oft mit so kleinen Sticheleien an, die zum Alltag in der Kommunikation geworden sind, insbesondere in den sozialen Medien. Durch sämtliche Social-Media-Kanäle ist Kommunikation gefährlich bzw. schwer durchschaubar geworden. Man muss genau hinschauen, um die Schüler überhaupt schützen zu können. Das Kommunikationsklima ist durch Social Media rauer geworden, weil man nicht mehr persönlich kommuniziert und Freunde hat, die nicht mehr Freunde sind. Dieser direkte Kontakt, dass ich jemanden anschaue und sage, was ich meine, wird leider immer weniger. Das macht mir Sorgen. Uns ist es wichtig, Werte zu vermitteln, auch durch unsere Regeln und Normen. Wenn es nicht mehr solche Wertvorstellungen gibt, die im Leben wichtig sind, wenn das alles komplett verloren ginge, dann sollte man sich ernsthaft Sorgen um die Gesellschaft machen. Wir werden die Veränderungen im Verhalten nicht aufhalten können, aber mit Empathie und Engagement unsere Kinder auf den richtigen Weg bringen.
Über die Interviewreihe
Dieses Interview mit Frau Grammerstorf ist Teil unserer Interviewreihe mit Schulleiterinnen und Schulleitern, mit der wir einen konstruktiven Diskurs und offenen Erfahrungsaustausch zwischen den Schulen zum Thema Mobbing anregen und fördern möchten.
Die unterschiedlichen Methoden und Betrachtungen der Schulleitungen, wie sie mit Bordmitteln versuchen, Mobbing- und Gewaltangriffe wirksam zu beenden, werden von der Stiftung nicht selektiert oder bewertet. Wir danken Frau Grammerstorf für das Interview und wünschen ihr und der BEST-Sabel-Grundschule Kaulsdorf weiterhin viel Erfolg.