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Interview mit Ralf Wiechmann,

Schulleiter St. Matthias Waldram, Wolfratshausen

Sehr geehrter Herr Wiechmann, stellen Sie doch einmal Ihre Schule kurz vor.

St. Matthias ist eine Schule des zweiten Bildungsweges. Nach dem Realschulabschluss oder dem qualifizierenden Mittelschulabschluss kann man an unserem Gymnasium in 3 bis 5 Jahren zur allgemeinen Hochschulreife kommen. Mit einem mittleren Schulabschluss kann man unsere FOS (Ausbildungsrichtung Sozialwesen) besuchen und dort in 2 Jahren zur Fachhochschulreife kommen. Außerdem kann man mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einer mindestens 2-jährigen beruflichen Tätigkeit an unserem Kolleg in 3 bis 5 Jahren die allgemeine Hochschulreife erlangen. St. Matthias war unter den 12 Aposteln der Spätberufene, und so verstehen wir unsere Aufgabe: Jungen Menschen viele verschiedene Wege anzubieten, die Sie einschlagen können, wenn Sie erst relativ spät ihre eigene Berufung entdecken und deshalb ihre Schulbildung ausbauen wollen.

 

 

Worauf sind Sie bei Ihrer Schule besonders stolz?

Es weht ein christlicher Geist durch unsere Schule, der aufgrund der geringen Schülerzahl (ca. 170) in der fast schon familiären Atmosphäre besonders gut zur Geltung kommt. Unsere Schüler wissen, dass jeder von Ihnen von uns gesehen wird.

 

 

Kommen wir zu einem heiklen Thema: Mobbing. Besteht an Ihrer Schule ein Konsens im Kollegium, ab wann Lehrerinnen und Lehrer eingreifen müssen? Wenn ja, wie haben Sie diese „Eingriffsschwelle“ ausformuliert?

Auch wenn wir keine definierte Eingriffsschwelle festgesetzt haben, ist die tatsächliche Schwelle gering, insofern jeder Schüler bei uns gesehen wird. Wenn Schüler sich nicht wohlfühlen, sich ihr Verhalten oder ihre Leistungen verändern, wird das schnell bemerkt und von betroffenen Kollegen besprochen. Pädagogische Konferenzen sind eine weitere Gelegenheit, im Rahmen der Lehrer über jeden Einzelnen der Klasse sich auszutauschen. So bleibt kein Schüler bei uns mit Problemen lange allein.

 

 

Was würde genau passieren, wenn ein Mobbingfall wahrgenommen oder gemeldet wird, wie ist bei Ihnen der Ablauf?

Jeder Schüler bzw. Erziehungsberechtigte unterschreibt bei uns einen privatrechtlichen Schulvertrag. Dieser zählt auch mögliche Gründe für eine fristlose Kündigung auf, darunter Mobbing. Sollten Schüler Mobbing betreiben, findet unmittelbar ein Gespräch mit dem Schulleiter statt. Wenn dort die Kündigung noch nicht ausgesprochen werden sollte, so würde sie zumindest angedroht. Sollte das Mobben nicht unverzüglich aufhören, würde umgehend die Kündigung des Schulvertrages erfolgen.

Gleichzeitig stehen für das Opfer selbst unsere Schulpsychologin, unsere Beratungslehrerin und unsere religionspädagogische Leitung, aber natürlich auch jeder andere Vertrauenslehrer bereit. Die Lehrkräfte des Opfers würden auf den Mobbing-Fall hingewiesen, um entsprechend sensibilisiert beobachten und eingreifen zu können.

 

 

An wen können sich Schüler oder Beobachter bei Ihnen wenden, wenn Schüler unter Mobbingattacken leiden?

Schulpsychologin; Beratungslehrerin, religionspädagogische Leiterin. Das sind drei verschiedene Personen, die eigene Büros haben, wo Gespräche stattfinden können.

Zudem finden unsere Schüler auf den Toiletten weitere Telefonnummern und Kontaktadressen für verschiedene Krisenfälle (Telefonseelsorge, etc…), wenn sie sich mit Ihrem Problem nicht an der Schule outen mögen.

Sollte ein Fall sexuellen Missbrauchs (bzw. Grenzverletzung oder Übergriff) vorliegen, so muss der Fall gemäß unseres Präventionskonzeptes an den Schulleiter gemeldet werden, der wiederum – ohne Nennung von Namen – unmittelbar bestimmte (externe!) Missbrauchsbeauftragte informieren muss, um so eine objektive Bewertung des Falles sicherzustellen.

 

 

Welche Empfehlung für das Eingreifen bei Mobbingfällen würden Sie anderen Schulen geben?

Vor allem sollte unmittelbar klar gemacht werden, wer der Schuldige und wer das unschuldige Opfer ist und auf wessen Seite die Schule sich stellt. Täter wie Opfer müssen wissen, dass Mobbing nicht im geringsten toleriert wird und Täter möglichst umgehend von der Schule entfernt werden. D.h. 1. Klare und unmittelbare Ansprache bzw. Tätigwerden gegenüber dem Täter; und 2. Umgehendes Kümmern und das Opfer. Das Mobbing muss mit dem Tag, an dem es bekannt wird, aufhören.

 

 

Was halten Sie für die besten Maßnahmen gegen Mobbing? Welche Aktivitäten gegen Mobbing, präventiv oder eingreifend, gab es bei Ihnen in den letzten 12 Monaten?

Bisher hatten wir keinen Mobbing-Fall. In meinen Augen wäre die beste Prävention, Schulen nicht zu anonymen Orten werden zu lassen. Das leisten wir nicht nur durch die geringe Schülerzahl, sondern z.B. auch dadurch, dass die Schüler in den ersten Tagen an unserer Schule mit ihrer Klasse einen Tag für sich bekommen, an dem sie sich selbst, untereinander und unsere Schule besser kennen lernen sollen. Dann zeigt unsere Erfahrung, dass gemeinsame Klassenfahrten sehr positiven Einfluss auf den Zusammenhalt der Klassen haben. Deshalb macht jeder unserer Schüler in 4 Jahren 2 Klassenfahrten.

 

 

Von wem und in welcher Weise würden Sie sich mehr Unterstützung für Ihre Arbeit gegen Mobbing wünschen?

Wir sind durch unseren Schulträger (kath. Kirche / Ordinariat München) so gut mit Personal ausgestattet, dass wir selbst alle Ressourcen zu haben scheinen, Mobbing vorzubeugen.

 

 

Würden Sie sich einen offiziellen Anti-Mobbing-Tag für Ihr Bundesland wünschen?

Für uns wäre das nicht unbedingt nötig. Allerdings ist Mobbing sonst wohl verbreiteter, als man denkt. Wichtig wäre mir, an einem solchen Tag das Reflektieren über sich selbst anzuregen: Wo trage ich möglicherweise selbst zu Mobbing oder dessen Vorformen bei. Das dürften wir alle weniger unschuldig sein, als wir ganz ohne bewusstes Reflektieren oftmals meinen. Insofern hielte ich einen Mobbing-Tag auch außerhalb der Schulen für eine wichtige Sache.

 

 

 

Über die Interviewreihe

Dieses Interview mit Herrn Wiechmann ist Teil unserer Interviewreihe mit Schulleiterinnen und Schulleitern, mit der wir einen konstruktiven Diskurs und offenen Erfahrungsaustausch zwischen den Schulen zum Thema Mobbing anregen und fördern möchten.

Die unterschiedlichen Methoden und Betrachtungen der Schulleitungen, wie sie mit Bordmitteln versuchen, Mobbing- und Gewaltangriffe wirksam zu beenden, werden von der Stiftung nicht selektiert oder bewertet. Wir danken Herrn Wiechmann für das Interview und wünschen Herrn Wiechmann und der St. Matthias Waldram Schule weiterhin viel Erfolg.