(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona

Transkript des Live-Streams der Talkrunde „(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona“
in der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin am 16.11.2020 - Seite 13

Dr. Weidenfeld

Haben wir auch gerade im Chat jemanden, der sagt, dass die Opfer sich in der Regel eben an niemanden wenden, weil sie sich schämen oder weil sie keine Aussicht darauf sehen, also egal ob sie Aussicht haben oder nicht, sie sehen keine Aussicht, dass ihnen wirklich geholfen wird. Vielleicht denken Sie alle drei Mal und Herr Rudolph, ich würde Sie zuerst fragen über wirksame Mobbingprävention nach, wenn man sagt, klar, Konventionen, Regeln, an guten Schulen werden die eingehalten und gelten die, aber wir haben nun mal nicht nur gute Schulen, wir haben nun mal nicht nur Schüler, die bereitwillig solche Regeln akzeptieren, in der wirklichen Welt gibt es eben sehr viele Grauzonen. Was würden Sie sagen, ist das Wichtigste, um präventiv gegen Mobbing an einer Schule zu handeln, die nicht vielleicht so ideal in ihrer Zusammensetzung ist.

Herr Rudolph

Also ich habe ja 44 Jahre an solchen Schulen gearbeitet, die jedenfalls nicht ideal waren in dieser Richtung.

Dr. Weidenfeld

Auch dies ist hier ist eine Brennpunktschule.

Herr Rudolph

Auch dies ist hier eine Brennpunktschule, es ist nicht jeder auf der Sonnenseite des Lebens geboren, das muss man einfach mal so sehen und entscheiden ist ein Begriff, der heute so ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, das ist Erziehung. Und Erziehung meint letztendlich, sich um die Jugendlichen zu kümmern, sie zu einem gemeinschaftsverträglichen Verhalten zu bringen und das macht man nicht, indem man auf den Kasernenhof, so wie uns das manchmal vorgeworfen wird, da irgendwie exerziert, sondern das ist ein ganz langer und intensiver Prozess, sich mit Jugendlichen auseinanderzusetzen, sich um sie zu kümmern, ihnen zuzuhören, wenn es Dinge gibt, viel Zeit zu investieren. Also ich sag das mal als Beispiel, wenn jetzt irgendein Schüler irgendwas gemacht hat, wo der Lehrer jetzt überfordert ist und nicht mehr weiß, was er machen soll, dann schicken die manchmal einen Schüler zu mir und dann lass ich den ein bisschen im Sekretariat sitzen, dass er erstmal ein bisschen überlegen kann, dann hole ich mir ihn herein und dann bin ich sehr freundlich zu ihm, ich bin also nicht auf einer Ebene, das auf keinen Fall, aber ich rede sehr normal mit ihm, ich sag „Guten Tag, setz Dich mal bitte hin“, „Warum bist Du denn jetzt hier bei mir?“ und dann erzählt er mir irgendwas und dann hör ich einfach mal zu, was er mir sagt. Dann stelle ich Nachfragen, um sozusagen das besser zu verstehen, dann versuche ich ihm zu helfen, zu verstehen, was er vielleicht falsch gemacht hat, indem ich ihn frage „Was ist Dein Berufswunsch?“, „Was ist also Dein Ziel im Leben, Du bist ja nicht hier in der Schule einfach um in die Schule zu gehen, sondern einfach, um Dich auf Dein Leben vorzubereiten“ und dann kommt man sehr schnell in eine Situation, dass die Jugendlichen sehr wohl begreifen, dass das, was sie jetzt hier in dieser Situation gemacht haben, dass das eigentlich nicht geht im Leben. Und nun sag ich immer zu den Jugendlichen „Weißt Du, das ist kein Problem, Du bist jung und da darfst Du Fehler machen“, denn ein Jugendlicher darf Fehler machen und wir haben auch Fehler gemacht, als wir jung waren. „Entscheidend ist nur, Du legst den Fehler auf den Tisch, dann können wir drüber reden, dann gucken wir, wie wir den Fehler wieder bereinigen können, indem Du irgendetwas machst oder also eine Kompensation in irgendeiner Form ablieferst und dann darfst Du wieder mitspielen.“. Und das muss ich eben ständig machen und nicht nur ich als Schulleiter, sondern viel wichtiger meine 40 Lehrer und die anderen schulischen Mitarbeiter müssen ständig bereit sein, in einer freundlichen Art, aber einer konsequenten Art, mit den Jugendlichen umzugehen und die Jugendlichen können das sehr gut verstehen, die schätzen das, das ist wirklich erstaunlich, selbst wenn wir mal kritisch mit ihnen sind.