(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona

Transkript des Live-Streams der Talkrunde „(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona“
in der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin am 16.11.2020 - Seite 10

Dr. Weidenfeld

Das bemerken Sie auf dem Schulhof, wenn es analog passiert, wenn es dann digital passiert, wie bemerken Sie es dann?

Herr Rudolph

Also da bemerkt man das sehr wohl, weil manche Schüler sich dann direkt an die Lehrer wenden und meine Lehrer ja auch durchaus in den entsprechenden Netzwerken auch mal aktiv sind und da ein bisschen gucken. Und eines ist wichtig, die Jugendlichen müssen wissen, dass wir reagieren, wenn wir etwas bemerken. Wir können nicht alles bemerken, genau wie die Polizei nicht alles bemerken kann, was sich in der Stadt abspielt. Aber die müssen sicher sein, wenn etwas ruchbar wird, dass dann die Beteiligten alle reagieren. Das ist ganz entscheidend.

Dr. Weidenfeld

Frau Schäfer, das Schulamt Thüringen hat eine Frage gestellt und die richtet sich, glaube ich, an Sie. Wenn man eben genau das, was Herr Rudolph gerade sagt, ernst nimmt und sagt, wir bemerken es im Netz eben nicht so schnell und nicht so zuverlässig, wie wir es auf dem Schulhof bemerken können. Das Schulamt Thüringen fragt: „Was kann man denn, wenn physische Kontaktbeschränkung gilt und noch stärkere Kommunikation im digitalen Raum stattfindet, wo erkennt man Mobbing, wo kann man eingreifen und wie würde man eine positive Kommunikationskultur fördern.

Prof. Dr. Schäfer

Jetzt müsste ich beinahe schon wieder sagen „Keine Ahnung“, was mir sehr leid tut. Man könnte es noch ein bisschen erläutern. Wir haben ja mehrere Untersuchungen gemacht und haben dann eben die Schüler befragt, wer von Euch bedroht andere, nimmt Sachen weg, schlägt auch mal andere. Wir haben eben auch gefragt: „Wer schikaniert andere im Netz, um damit besonders groß rauszukommen?“. Das heißt, wir haben wirklich valide Daten bzgl. dieses Cybermobbing-Effektes und des Normal-Mobbing-Effektes.

Dr. Weidenfeld

Und sind das dieselben?

Prof. Dr. Schäfer

80% Überschneidung. Und deshalb ist es so schwierig, darauf zu antworten, es ist jetzt ein bisschen die Frage, findet das vielleicht außerhalb der Schule statt, aber Mobbing allein im Netz macht auch unglaublich wenig Sinn. Das kann mal kurzzeitig für eine Episode ganz interessant sein und die Klasse hat sich mal geärgert. Ich hab das mal mit einem meiner Söhne erlebet, wo ich dann wirklich „Sag mal, hast Du noch alle Tassen im Schrank? Was machst Du hier denn gerade?“. Und dann ging es darum, es hatte wirklich was auf der Treppe gegeben, jemand hatte ein anderes Mädchen geschubst und so weiter und da meinte ich, sag mal, aber die anderen wissen doch gar nicht, dass dieser Junge ein guter Freund ist und dass Ihr morgen Euch vermutlich wieder freundlich anschaut, sondern die sehen einfach nur, dass Du mal so richtig sauer auf den warst und voll mitgemacht hast. Also das sind, glaub ich, alles so Dinge, die für Schüler mitunter nicht immer zu 100%-ig durchdringbar sind und in der Verletzung und vor allem in diesem Mitnahmeeffekt, der Eine sagt was, der Andere sagt was, der Dritte sagt was. Also diese etwas Grenzenlosigkeit, die danach eintritt. Das ist schwierig, aber auf die eigentliche Frage zurückzukommen, das hat Herr Rudolph ja auch schon gesagt, es ist einfach wahnsinnig schwierig, wenn diese Möglichkeit „Ich wende mich an jemanden“, „Ich wende mich an meine Eltern, dass die möglicherweise mit der Schule“, aber ich weiß nicht, Sie haben vorhin eine wunderbare Schulsituation geschildert, auch wenn ich aus einer Mobbingperspektive gerne später vielleicht nochmal einen zweiten Aspekt, nämlich die Verantwortlichkeit und das Expertentum der Schüler dazu bringen würde, aber ich glaube so, wie Sie Schule beschreiben, ist Schule nicht immer und ganz oft möglicherweise nicht so.