(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona

Transkript des Live-Streams der Talkrunde „(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona“
in der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin am 16.11.2020 - Seite 4

Herr Rudolph

Also ich seh zunächst mal keinen wirklichen Unterschied zwischen der Zeit vor Corona und ich vermute auch in der Zeit nach Corona wird das auch ähnlich sein, weil es hat immer Mobbing gegeben und es wird auch in Zukunft immer Mobbing geben. Es ist aber eine entscheidende Beobachtung, die wir gemacht haben, wir hatten in Berlin und ja in Deutschland auch eine Zeit lang die völlige Schulschließung, wo die Schüler über Wochen nicht in die Schule gekommen sind und da gibt es ein ernstes Problem, weil entscheidend ist ja, dass Schüler, die betroffen sind von Mobbing, jemand ansprechen können. Das können sie natürlich auch, wenn die Schulen geschlossen sind, aber die Hürde ist deutlich größer, dass diese persönliche Ebene „Ich kann zu einem Lehrer gehen, ich kann zu einem Sozialpädagogen gehen oder meinetwegen auch zum Schulleiter“, die fehlt, und jetzt vielleicht eine Telefonnummer oder eine Mail zu nehmen, das ist etwas ganz anderes als einfach mal hinzugehen und sagen „Ich hab da ein Problem“. Also da sehe ich einen ernsten Unterschied und deswegen würd ich also auch kein Freund davon sein, zum Beispiel Schulen vollständig zu schließen. Wenn ich jetzt jeden zweiten Tag Unterricht mache oder in kleineren Gruppen, dann ist das Problem eigentlich nicht so für mich zu sehen, weil da haben die Schüler sehr wohl noch die Möglichkeit, persönliche Ansprache zu nehmen. Also das ist für mich entscheidend, dass der persönliche Kontakt zwischen den schulischen Mitarbeitern und den Jugendlichen erhalten bleibt.

Dr. Weidenfeld

Weil die physische Barriere, also die Barriere, wenn man sich jemandem auf dem Schulhof anvertraut oder vor dem Lehrerzimmer wartet, geringer ist, als wenn man etwas schreibt oder anruft oder die Eltern anrufen.

Herr Rudolph

Genau. Und wir haben ja auch andere Möglichkeiten, also die Schüler wissen ja bei uns, an wen sie sich wenden können. Das ist erstmal der Klassenlehrer, bei dem müssen sie nicht vor dem Lehrerzimmer stehen, da gibt´s immer andere Möglichkeiten oder sie können zu den Sozialpädagogen gehen, das ist eine ganz andere Ebene wieder, sodass also jeder Schüler eine Vorstellung hat, an wen er sich wenden kann. Und das ist eben nur möglich in leichter Weise ohne eine große Hürde zu haben, wenn ich diesen Menschen auch sehe, wenn ich einfach hingehen kann.