(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona

Transkript des Live-Streams der Talkrunde „(Cyber)Mobbing an Schulen in Zeiten von Corona“
in der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin am 16.11.2020 - Seite 31

Herr Rudolph

Also ich bin skeptisch, ob wir da andere Straftatbestände einführen müssen, ich finde, wir brauchen in der Schule nicht unbedingt das Strafrecht, wir brauchen die Erziehung und wir müssen uns den Dingen widmen, ob sie jetzt strafrechtlich sind oder nicht und vieles gerade im Mobbing ist ja nicht unbedingt wirklich strafrechtlich relevant. Klar, einige Dinge schon, keine Frage, aber es gibt bestimmt genug Dinge, die jetzt das Strafgesetzbuch nicht fassen kann und wo man auch sehr vorsichtig sein muss, ob ich das mit irgendwelchen neuen Begriffen fassen kann, also ich bin nun kein großer Mobber, aber wenn ich mir immer vorstelle, ich sag jetzt zu Einem „du bist zu dick“ oder so, dann ist das ja bestimmt kein Straftatbestand, aber wenn ich das ständig mache und irgendwie untermauere, dann kann das denen ja doch sehr niederdrücken und da würde ich schon sagen, ist das das Mobbing.

Prof. Dr. Schäfer

Eben, diese Politik der Nadelstiche ganz einfach. Immer eines mehr und das Opfer weiß ganz genau, heute passiert wieder irgendwas [Herr Rudolph: Genau] und ich steh superblöd da.

Herr Rudolph

Und da hilft eben nicht das Strafgesetzbuch, sondern da hilft das Eingreifen vor Ort, auf niederschwelliger Ebene. Ich sag es nochmal, nicht dann, wenn sozusagen einer schon an Selbstmord denkt, sondern, sobald irgendwie im kleinen Bereich dort etwas passierte. Man muss eben mit den Jugendlichen als Erzieher einen ordentlichen Umgang pflegen, muss das also vorleben und man muss darauf achten, dass sie untereinander das auch machen, denn wenn sie es nicht machen, muss ich bereit sein, mich mit ihnen auch erzieherisch auseinanderzusetzen. Wenn ich das mache, werde ich ein Klima haben, was, sagen wir mal, Mobbing nicht verhindert, aber wo es deutlich weniger Mobbing geben wird als wenn ich das nicht tue.

Prof. Dr. Mechthild Schäfer

Was ich heikel finde an Ihrer Position, so sehr sie mir auf der einen Seite gefällt, ist, dass sie von Schulleitern wie Ihnen abhängt.

Dr. Weidenfeld

Aber es hängt alles von Schulleitern ab, oder?

Prof. Dr. Mechthild Schäfer

Ja, das ist richtig, aber es sind nicht alle Schulleiter so entschlossene Pädagogen, also es gibt mit Sicherheit auch Gebiete, wo wir trefflich ewig lange streiten könnten, aber im Prinzip denke ich schon, dieses relativ klare auch Vorleben, auch respektvoll die Schüler behandeln, was ich aus Ihren Sätzen raushöre, und auf der anderen Seite wir brauchen eine Lösung, es geht nicht darum, jemanden zu verurteilen, sondern es sind alles Leute, die sind in der Entwicklung, die Kinder und für die haben wir eine Verantwortung, aber wie viele Schulen genau, wie sie vorhin gesagt haben, wie viele Eltern gibt es, wo da einfach, sorry, verdammt wenig passiert und mitunter nicht mal aus bösem Willen, sondern aus Hilflosigkeit. Oder es gibt die Schulen, wo wahnsinnig viel passiert und jeder glaubt, weil ich was mache, muss das ja schon gut sein und muss das ja schon Effekt haben aber mitnichten hat es mitunter nicht, die Schüler gehen in die nächste Klasse, das Drama ist wieder da. Brauchen wir da nicht tatsächlich auch präventive Ideen, die wir so verkaufen können, wie sich der Forschungsstand darstellt?